Die Ermstalbahn - Bürgerbahn mit 150 Jahren Geschichte und 150 Jahren Zukunft. Martin Uhlig & Wolfgang Schulz-Braunschmidt

Art.Nr.: 909-002

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Beschreibung

ArGeDrehscheibe 2024, 128 Seiten, ca. 160 Abbildungen (teilweise in Farbe), Format 21 x 21 cm, Hardcover.

Das Buch erzählt die wechselhafte Geschichte einer Bürgerbahn von Metzingen nach Bad Urach. Die Ermstalbahn wurde 1872 privat finanziert, bis Ende 1873 gebaut, 1976 von einem Staatskonzern stillgelegt und von Bürgern nach jahrelangem Kampf gerettet. Und heute ist sie nicht nur eine Bahnstrecke mit 150 Jahren Geschichte, sondern dank des Projekts Regional-Stadtbahn Neckar-Alb (RSBNA) auch eine mit 150 Jahren Zukunft.

Dass die Ermstalbahn nicht endgültig stillgelegt wurde, ist Menschen zu verdanken, die sich engagiert haben. Sie haben bewiesen, dass „kleine Leute“ Großes leisten können. Ich denke an Roland Hartl, den Kopf des Widerstands und an die Mitglieder der Initiative „Pro Ermstalbahn“. Menschen, die nicht auf andere verwiesen, sondern mutig gehandelt haben. Das Buch ist deshalb auch kein Eisenbahnbuch, in dem Puffer, Signale, Schienen, Schwellen,
Weichen und Lokomotiven die Hauptrolle spielen, sondern in dem Menschen im Mittelpunkt stehen. Die Eisenbahn ist ein großartiges technisches System, aber ebenso wichtig ist ihre soziale Funktion, die Reisen und Begegnungen ermöglicht und Erfahrungshorizonte erweitert.

Zurück zur Ermstalbahn: Dazu begeben wir uns gedanklich zunächst in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, dem Beginn der Industrialisierung. Deren Auslöser ist die Dampfmaschine – als Eisenbahn damals High-Tech. So etwas Fortschrittliches will man auch im Ermstal haben, um wirtschaftlich nicht abgehängt zu werden. Dafür hat man in Urach eine revolutionäre Idee – man will die Schiene mit einer Lotterie finanzieren. Doch das verbietet der König. Clevere Banker springen in die Bresche und nach 15 Monaten Bauzeit ist die 10,4 Kilometer lange Strecke von Metzingen nach Urach fertiggestellt. Bei der Jungfernfahrt im Dezember 1873 stehen Menschtrauben an den Bahnhöfen und begrüßen die „Fahrt im Flug mit Dampf“ (Tempo 35 km/h!). Vivatrufe, Blumensträuße für den Zug und Gedichte: „Uracher jauchzt – vom Samstag an, eröffnet ist die Eisenbahn“. In Dettingen gibt es etwas Unmut, weil dem Schienenbau ein Teil eines Bierkellers weichen muss. Es stellt sich aber rasch heraus, dass die Versorgung der Bürger nicht gefährdet ist. Die Züge sind von Beginn an voll, das Fahrplanangebot aber dürftig. Deshalb müssen „überzählige“ Passagiere öfter in Güterwagen steigen. Im Jahr 1904 wird die Ermsthalbahn „königlich“, was sich leider nicht auf das Erscheinungsbild auswirkt, denn die Stationen gleichen eher Baracken als Bahnhöfen. Nach dem Ersten Weltkrieg muss sich die Ermstalbahn auf das Allernotwendigste beschränken. Immerhin wird ein bis heute gültiger Streckenrekord aufgestellt. In Urach machen sich im Frühjahr 1922 fünf Güterwagen ohne Lok auf die abschüssige Strecke nach Metzingen. Dort treffen sie mit Tempo 120 auf einen Prellbock, was für beide Seiten zu keinem guten Ende führt. Im Nationalsozialismus wird Urach zum Ziel der „Kraft durch Freude“-Urlauberzüge. Der von den Nazis geförderte politisierte Tourismus bringt bis 1939 jährlich über 60.000 Urlauber in die Stadt. Nach Kriegsbeginn ist Schluss mit Urlaub - jetzt fahren Lazarettzüge nach Urach.

Nach dem Zweiten Weltkrieg rumpeln alte Loks mit Wagen der Holzklasse über die Schienen. Und ab Mitte der 1950er-Jahre gibt es erste Gerüchte über Stilllegungspläne der Deutschen Bundesbahn, die immer mehr Linienbusse als Konkurrenz zur Ermstalbahn einsetzt und den Schienenverkehr im Frühjahr 1976 endgültig einstellt. Doch die Bahn hat die Rechnung ohne die wehrhaften Ermstäler gemacht. Das Kibri-Modell 8907, eine Miniaturausgabe des Uracher Rathauses, wird zur Keimzelle, der nach Urach reingeschmeckte Roland Hartl zum Kopf des Widerstands. Die Ermstäler stürmen die von der Initiative „Pro Ermstalbahn“ organisierten Sonderzüge und verspotten die „Omnibus-Bahn“ als „deutsches Bundesauto“. Die Widerständler „klauen“ Wasser für durstige Dampfloks, „entführen“ eine Braut und dealen mit Aktien. Die Papiere der „Ermstal-Verkehrs-Aktiengesellschaft (EVG AG) gehen weg wie frische Laugenweckle – die Käufer stimmen damit auch für den Erhalt der 1873 dank privater Initiative eröffneten Schienenstrecke. Der Kampf um die Ermstalbahn dauert bis 1994. Dann übernimmt die EVG AG die Ermstalbahn zum schwäbischen Preis – elf Kilometer Schienen für eine Deutsche Mark – plus Mehrwertsteuer. Fünf Jahre später „düsen“ rote Regio-Shuttles über die von der Erms-Neckar-Bahn AG (ENAG) sanierte Strecke. Und seit Ende 2022 ist die 150 Jahre junge Ermstalbahn elektrifiziert und als Teilstrecke der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb (RSBNA) fit für die Zukunft.